Inhalt

Bin ich emanzipiert

Gläserne Decke oder Baby-Decke

Was hat die Baby-Decke mit der Gläserne Decke gemein?

Frau kann sich mit beiden abstrampeln.

Die gläserne Decke kennen wir. Die Gründe auch. Den Hammer, diese zu durchschlagen haben erst wenige gefunden.

Die Babydecke bleibt auch der kinderlosen Frau nicht erspart. Sie muss sich erklären. War das ihr Wunsch? Oder hat’s nicht geklappt? Ach so, die Karriere stand im Weg.

Und die Frau die sich für die Familienarbeit gegen eine eigene Karriere entschieden hat? Ach so, du gehst nicht arbeiten?

Warum muss sich Frau immer für ihre Entscheidung rechtfertigen?

Mädchen am Gartenzaun

Wir saßen am Gartenzaun vor der Hauptschule. Wir unterhielten uns über unsere Zukunftspläne, über Berufswünsche. Ich weiß noch ganz genau, dass wir damals einhellig befunden hatten, dass ein Gymnasium für ein Mädchen nicht so gut wäre, denn wenn sie dann heiratet, kann sie nicht einmal kochen.

Das war Ende der 1970er Jahre. Am Land. Besser gesagt, in einem engen Gebirgstal. Erst wenige Jahre zuvor wurde das Familienrecht reformiert.

Ein paar Jahre zuvor, in der Volksschule: Wir sollten unseren Berufswunsch zeichnen. Ich war ratlos. Dieses Thema ist für die Burschen gut, aber was sollen wir Mädchen zeichnen, fragte ich mich? Ich kannte nur Frauen, die auf den kleinen Bauernhöfen die Arbeit verrichteten und auf die Kinder schauten. Meine Schulkolleginnen zeichneten Verkäuferinnen, Zimmermädchen, eine Frisörin und eine eine Handarbeitslehrerin. Für mich waren das nur Übergangsberufe. So zwischen letztem Schuljahr und erstem Kind. Ich zeichnete eine Mama mit vielen Kindern. Und ich wurde ausgelacht.

Der Schmerz der Geschichte

Heute lache und weine ich über diese Szenen. Und schäme mich gleichzeitig.

In den 1970ern war es nicht selbstverständlich, dass eine verheiratete Frau berufstätig sein kann, bis 1975 musste sie ihren Ehemann um Erlaubnis fragen. Hast du das gewusst?

1975. Das ist noch nicht lange her. Ich war 10 Jahre alt.

Wie alt warst du da? Oder deine Mutter? Deine Großmutter? Schreib es in den Kommentar.

Das Oberhaupt

In der Familienrechtsreform von 1975 wurde die Stellung des Mannes als Familienoberhaupt aufgehoben. Nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811 war die Ehefrau dem Manne untergeordnet. Er hatte die Bestimmungsmacht über Wohnort, über Ausbildung der Kinder ebenso wie über eine allfällige Berufstätigkeit der Frau. Seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts kämpften Frauen für Gleichberechtigung. 1975 konnten sie, entgegen dem Widerstand konservativen Parteien und der katholischen Kirche, erste Erfolge feiern:

Im Bundesgesetzblatt Nr. 412, „Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe“, veröffentlicht am 31. Juli 1975, wurde die Gleichstellung der persönlichen Rechte von Ehemann und Ehefrau festgelegt.

Die Frau durfte nun erwerbstätig sein. Die Versorgungsarbeit blieb dennoch bei ihr. Die Kampagne von Frauenministerin Konrad „Halbe Männer machen halbe-halbe“ wurde 1996 nach wenigen Wochen wieder abgedreht. Erst seit 1999 steht die Aufteilung der Versorgungsarbeit unter den ehelichen Pflichten im Gesetzt.

Unbezahlte Versorgungsarbeit

Es ist ja nicht so, dass Frauen vor 1975 nicht berufstätig gewesen wären. Die Geschichte der „Hausfrau“ ist jung. Vor der Industrialisierung verrichteten Frauen Arbeiten in den Handwerksbetrieben und in der Landwirtschaft. In wohlhabenden Kreisen sowie auf Gutshöfen war die „Hausmutter“ Managerin, sie leitet das Personal an und traf wirtschaftliche Entscheidungen.

Als das Personal auf den Gutshöfen zu teuer wurde, wurde die Managerin zur Dienerin. Im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811 stand es geschrieben, die Frau hat sich um den Haushalt zu kümmern und dem Manne den Rücken frei zu halten.

Auch auf den Bauernhöfen setzte die Mechanisierung ein, die Vermarktung wurde genossenschaftlich organisiert und die Bäuerin kam um ihre Erlöse, die sie aus dem regionalen Verkauf von Milch, Gemüse, Brot und Eiern generiert hatte. Geld wurde Männersache.

Während der Weltkriege und dem Wiederaufbau wurden Frauen für alle möglichen Arbeiten herangezogen und mussten das Fehlen der Männer kompensieren.

Ich durfte nichts lernen

In meiner Masterthesis 2013 erforschte ich Berufswege von Frauen. Viele Frauen erzählten mir, ihre Berufswahl war eine wirtschaftliche oder logistische Entscheidung, ihr persönlicher Wunsch zählte wenig. Bei so mancher durfte der Bruder eine Lehre machen, für sie selbst war dafür kein Geld mehr da.

Claudia Mitscha-Eibl sang in den 1990ern „Rabenmütter lieben ihre Kinder auch.“ Sie macht darin den Spagat zwischen Kind und Karriere zum Thema. In den vergangenen Jahren hat sich manches geändert. Eine berufstägige Frau ist keine Rabenmutter mehr.

Wenn es die wirtschaftliche Situation erlaubt, „darf“ die Frau bei den Kindern zu Hause bleiben. Vor 20, 30 Jahren war das noch die Norm. Ich kenne viele Frauen, Freundinnen und Klientinnen, die dies so gemacht haben. Der Gatte zahlte für sich vierzig Jahre oder mehr volle Pensionsbeiträge. Die Ehe wurde geschieden. Die Frau, wenige Erwerbszeiten, viele davon in Teilzeit – keine guten Voraussetzungen für eine angemessene Pension. Wenn du, so wie ich, schon an die Sechzig gehst, kommt diese Erkenntnis zu spät. Die Möglichkeit des Pensionssplittings ist vielen noch nicht bekannt.

Pensionssplitting

Der erwerbstätige Elternteil kann Teile seiner Kontogutschrift an den Erziehenden übertragen. Jener Elternteil, der sich der Kindererziehung widmet, erhält dafür eine Gutschrift im Pensionskonto.

Damit soll der durch die Kindererziehung entstehende finanzielle Verlust zumindest teilweise reduziert werden.

Pensionssplitting (pv.at)

Lieber über Sex als übers Gehalt reden

Eine Klientin erzählte mir, sie will wieder in ihren Job zurück, sobald ihr Kind ein Jahr alt ist. Die Schwiegereltern sind entsetzt. Ihr ist zu Hause schon fad: Weißt du, ich liebe meinen Sohn, aber es ist so anstrengend, ihn den ganzen Tag zu bespaßen.

Sie erzählt mir auch, dass ihr Kollege rund dreihundert Euro mehr Bruttogehalt hat als sie. Sie machten die gleiche Arbeit. Er hatte zwei Monate vor ihr in dieser Firma begonnen. Vermutlich ist der Abstand jetzt noch größer geworden, weil ich in Karenz war, sinniert sie.

Bei uns in Österreich ist das Gehalt ein streng gehütetes Geheimnis. Lieber sprechen wir darüber, wie oft wir pro Woche Sex haben, als dass wir preisgeben, wie viel wir verdienen. Mitunter ist das ein Grund, dass sich ungleiche Bezahlung so penetrant hält. Würde in der Firma meiner Klientin unter allen Kollegen und Kolleginnen offen darüber gesprochen, kämen die Verantwortlichen in Bedrängnis – und die Frauen vermutlich zu bessern Gehaltsabschlüssen.

Emanzipiert, aber nicht mehr so verrückt

Sie ist nicht mehr so verrückt wie früher, hat meine Schwester neulich über mich gesagt. Früher war ich Radikal-Feministin. Ich dachte, Frauen sind die Bessere Hälfte der Menschheit. Ich hatte als Kind und als junge Frau erfahren, dass Frauen viel mehr arbeiten mussten und in wirtschaftlicher Abhängigkeit waren. Heute weiß ich, dass auch Männer ihre Herausforderungen haben. Andere als wir Frauen. Das Verständnis der Geschlechterrollen hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant gewandelt.

Wahlfreiheit bedeute auch Verantwortung für die eigene Entscheidung zu übernehmen. Entscheidungen zu treffen, damit du dein Potential zur Entfaltung bringen kannst. Die Chance zu ergreifen, dein Leben so zu gestalten, wie es dir gerecht wird. Niemand sagt, dass das einfach ist. Aber es ist auf jeden Fall tausendmal besser, als das Korsett unserer Ahninnen.

Zum Weiterlesen

2 Antworten

  1. Liebe Barbara,
    All das, was du über den Stellenwert der Frauen in den 70-ern geschrieben hast, liest sich, als hättest du über meine Vergangenheit geschrieben. Dabei muss Ich bemerken, dass auch die meisten Frauen der Überzeugung waren, das das so richtig ist. Die Frauen gehören nach Hause zu den Kindern, der Haushalt musste tipptopp geführt sein und sie haben sich darin ihre Challenges geliefert. Wäre ja in Ordnung, wenn sie die Entscheidung der Frauen, die sich beruflich verwirklicht haben, die hat es ja mitunter auch gegeben, nicht als Emanzen oder Karrierefrauen beschimpft hätten. Wurde ein Mädchen als selbstbewusst tituliert, war das nicht unbedingt positiv gemeint. Sie wurden vielmehr als „bedrohlich“ empfunden. Sehr gut, dass wir Frauen uns diesbezüglich rasant weiterentwickeln und die Männer auch. Nichtsdestotrotz gilt es in dieser Hinsicht noch viel an der Meinungsbildung in der Gesellschaft zu arbeiten. Von wirklicher Gleichstellung sind wir noch ein ganzes Stück weit entfernt!
    Danke dir für den interessanten Beitrag!
    Liebe Grüße, Ingrid

    1. Liebe Ingrid!
      Ja, da hast du absolut recht. Selbstbewusste Frauen waren bedrohlich. Eine Frau, die aus den Normen ausbricht, über den Zaun in die Freiheit springt, bringt die Eingezäunten in Bedrängnis. Sie müssen sich unweigerlich fragen, warum sie es ihr nicht gleich tun. Um sich nicht der Angst und Unsicherheit stellen zu müssen, schimpfen sie lieber auf die Ausbrecherin.
      Und ja, es hat sich viel getan – und es gibt noch so viel zu tun. Traurig macht mich, wenn junge Mädchen so tun, als wär das alles nicht wichtig, weil eh selbstverständlich. Dass die Entwicklung schnell wieder rückwärts gehen kann, hat uns ja Corona gezeigt.

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert