Ich fühle mich ausgegrenzt
Dieser Tage war ich auf der Uni in Krems bei einer Weiterbildung für Lehrende. Die Teilnehmer*innen kommen aus unterschiedlichen Fachbereichen. Bereits in der Vorstellrunde hänge ich an den Lippen der Influenzerin. Sie unterrichtet im Lehrgang digitale Kommunikation. Vermutlich ist sie jünger als all meine Töchter. Die Sprache, die sie spricht – gespickt mit englischen Ausdrücken – verstehe ich nicht. Sie berichtet von Tools, die sie im Unterricht verwendet, von denen ich noch nie gehört habe. Wenn ich unterrichte, sitzen die Studierenden im Sesselkreis. Ich arbeite mit Flipchart und Pinwand. Wir machen Übungen in Kleingruppen.
Mein Stolz liegt am Boden
Bei der besagten Weiterbildung geht es um „diversitätsgerechtes Unterrichten“ – um Unterrichtsgestaltung, bei der alle teilhaben können, sich niemand ausgeschlossen fühlt. Mich hat es eiskalt erwischt. Ich bin mit Abstand die Älteste. Ich bin aus dem vorigen Jahrhundert. Ich fühle mich klein und unwissend. Der Stolz auf meine reiche, 57-jährige Lebenserfahrung liegt am Boden. Scham deckt ihn zu.
Das Kind verspottet, weil es etwas nicht weiß
Kennst du solch ähnliche Situationen auch? Den meisten von uns, ist das vertraut. Du kommst irgendwo hin, kennst dich nicht aus und fühlst dich klein. Vielleicht schämst du dich auch. Vielleicht wurdest auch du als Kind getadelt oder verspottet, weil du etwas nicht wusstest? Als Kind war es nicht angebracht, Fragen zu stellen. In unserem Schulsystem lernen die Kinder, die Unwissenheit zu verbergen – denn dafür gibt es schlechte Noten. Das ist sehr schade.
Die Sprache wiederfinden
Zurück zur Uni. Es hat ein bisschen gedauert, bis sich mein Selbstwertgefühl wieder aufrappelte. Es klopfte sich den Staub von den Kleidern. „Du bist jetzt erwachsen, niemand schimpft mit dir, wenn du etwas nicht weißt“, flüsterte es mir zu. Ich fand meine Sprache wieder. Mit meinen Worten konnte ich mich einbringen und nachfragen, wenn ich einen Ausdruck nicht verstand. Auch andere waren für die Erklärungen dankbar.